Märkische Allgemeine Zeitung 11.03.06

 

Export in aller Herren Länder
Tek km 11,00: GRW-Industriegeschichte in Teltow / "100 Jahre Teltowkanal" (Teil 30)

Der Kanalbau war die Initialzündung für die Entwicklung der Teltower Region. Zu den ersten Unternehmen gehörte 1904 eine Porzellanfabrik. Nach 1945 zählten neben dem "Elektronische Bauelemente Teltow" die "Geräte- und Reglerwerke Teltow" (GRW) als Zentrum der Industrieautomatisierung der DDR zu den größten Arbeitgebern mit bis zu 12 000 Beschäftigten.

Am Stammsitz zwischen Potsdamer Straße, Teltowkanal, Warthestraße und Schwarzer Weg waren zeitweise 7500 Menschen tätig. Heute gehört das Areal zum Gewerbepark Techno Terrain Teltow.

Die Entwicklung westlich der Warthestraße begann im Wesentlichen Mitte der dreißiger Jahre. 1936 siedelte sich "Heinrich List Werke für Elektrotechnik und Mechanik" an und produzierte Mess- und Prüfgeräte - mit Kriegsbeginn vor allem für die Luftwaffe. Diesem Zweck diente auch die Gründung der "Gesellschaft für Luftfahrtbedarf GmbH" im Jahre 1940 nördlich der Oderstraße sowie der Bau der "Werke Dr. Hell".

Dort wurden neben Ausrüstungen für die Marine auch Funk- und Ortungsgeräte hergestellt. Der 2002 verstorbene Rudolf Hell, ein herausragender Ingenieur Deutschlands, hatte 1927 ein direktanzeigendes Funkpeilgerät für die Luftfahrt entwickelt. Später kam sein "Hellschreiber" zur Fernübertragung von Nachrichten und die Verschlüsselungsmaschine "Enigma" hinzu.

Nach Kriegsende erfolgte die Enteignung dieser drei Betriebe. Produziert wurde allerdings weiter, weil es seit 1946 außer der "Elektro-Feinbau GmbH Teltow" auch die "Askania Feinmechanik und Optik GmbH Teltow" gab - eine Tochter der Askania-Werke AG in Friedenau. Diese besaßen bereits Erfahrungen mit Regelungssystemen. Schon 1923 wurde ein hydraulischer Strahlrohrregler an einem Tunnelofen der AEG Hennigsdorf eingesetzt. Know how, das für Teltow die Richtung vorgab.

Am 1. Januar 1948 wurde aus der GmbH Volkseigentum. VEB Askania Teltow startete in die neue Zeit mit knapp 500 Beschäftigten. Die stellten bis 1961 beispielsweise Technik für die Seefahrt her: Maschinentelegrafen, Klinometer, Lotmaschinen und Kompasse. Nach einer erfolgreichen Klage der Askania AG vor dem Internationalen Gerichtshof erhielt der Betrieb 1954 den Namen "VEB Geräte- und Reglerwerke Teltow".

Zwei Jahre zuvor waren die Weichen für die Industrieautomatisierung gestellt worden. Dazu gehörten neben der Produktion von Mess- und Regelgeräten auch Projektierung, Montage und Inbetriebnahme von Anlagen. Die Regelungssysteme auf hydraulischer, pneumatischer und elektronischer Basis fanden bis 1991 Abnehmer unter anderem in Brasilien, Finnland, Syrien, Indien, Frankreich und Kamerun - für die DDR eine lukrative Einnahme von Devisen.

Aufträge wie die Automatisierung eines Kraftwerks in Griechenland Ende der 80er Jahre brachten rund 50 Millionen Dollar, erinnert sich Lothar Starke, Betriebsleiter von 1983 bis 1991.

Aber GRW-Technik war ebenso auf dem Eisbrecher "Krassin" zu finden wie auch im Kernkraftwerk Nord Greifswald. Darüber hinaus gab's in der DDR elf Betriebsteile und Außenstellen - von Stralsund über Magdeburg und Treuenbrietzen bis Leipzig, Dresden und Pirna. Gesteuert wurden mit der GRW-Technik unter anderem alle Kraftwerke, Chemieanlagen und Ampelkreuzungen der Republik.

Mit dem Prozessleitsystem "audatec" kam 1984 die Mikroelektronik mit Mikroprozessoren in der Industrieautomatisierung zum Einsatz. Manche dieser Anlagen sind bis heute aktiv. So regelte eine audatec-Anlage noch bis vor kurzem die Luftzerlegung in der PCK Raffinerie GmbH in Schwedt. GRW entwickelte Halbleiter-Drucksensoren, die in Kooperation mit "Mikroelektronik Stahnsdorf" gefertigt wurden und in audapas-Betriebsmessgeräten Verwendung fanden. Mit dieser Technologie besaßen die GRW als einer von wenigen Betrieben weltweit eine Vorreiterrolle.

Darüber hinaus hatte auch der Teltower Betrieb sein Scherflein zur DDR-Konsumgüterproduktion beizutragen. Er stellte den bekannten "Kontakt-Grill" her, der in modifizierter Form sogar im Westen Deutschlands unter dem Namen Siemens zu haben war.

Die Geräte- und Reglerwerke zählten zu den Vorzeigebetrieben der DDR. Staats-chef Nikita Chrustschow ließ sich 1959 in Leipzig am Messestand des GRW sehen. 1986 wurde eine Delegation des Deutschen Bundestages durch den Betrieb geführt. 1987 stattete mit Siegmund Jähn der erste Deutsche im Weltraum einen Besuch ab und im Dezember 1988 kam der jugoslawische Staatspräsident.

Wie in der DDR üblich, organisierte auch dieser Großbetrieb das soziale, kulturelle und sportliche Leben seiner Mitarbeiter: Neben Arbeitertheater, Kabarett, Chor und Blasorchester gab es die Zirkel für schreibende Arbeiter, Maler und Zeichner sowie Kunstgewerbe und Textilgestaltung. Fünf Büchereien und eine Abteilung für Foto- und Schmalfilm ergänzten das Angebot. Poliklinik, Kindergarten, Werkswohnungen und Betriebsschule kamen hinzu. Für die Erholung standen unter anderem seit Anfang der 70er Jahre ein Zeltlager für Lehrlinge mit 240 Plätzen sowie pro Jahr mehr als 1500 Urlaubsplätze zur Verfügung.

Mit der politischen Wende wurde aus dem VEB GRW eine GmbH. Partner war die Siemens AG, mit der bereits langjährige Beziehungen bei der Automatisierung von Kernkraftwerken bestanden. Zum 1. April 1991 wurde der Anlagenbau mit 1200 Mitarbeitern an Siemens verkauft und mehr als ein Jahr später nach Berlin verlagert. Ein Großteil der GRW-Belegschaft verlor jedoch den Arbeitsplatz. Zwar gab es zahlreiche Ausgründungen, die sich aber oftmals nicht halten konnten: Dazu gehörten die Automatisierungstechnik und die GRW Druckmesstechnik Teltow GmbH, für die 1994 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wurde. Die Konkursmasse der Druckmesstechnik wurde von Endress+Hauser aus Baden-Württemberg aufgekauft, wobei die Produktion der Halbleiter-Messumformer in Teltow verblieb. Damit lebt dieses Know how der Geräte- und Regler Werke bis heute fort.

Lange Zeit noch erinnerte ein Logo auf dem einstigen Verwaltungsgebäude an der Potsdamer Straße an die GRW. Ende 2002 wurde das Haus abgerissen. Heute sind auf dem Gelände verschiedene Firmen unterschiedlicher Branchen angesiedelt. "O2 Mobil" ist dabei.

Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal.