Märkische Allgemeine Zeitung 18.02.06
Neue Brücke kommt Schleuse ins Gehege
Tek km 08,34: Projekt 17 Deutsche Einheit /
"100 Jahre Teltowkanal" (Teil 24)
Die neue Schleusenbrücke hat den Blick auf das Denkmal vom Wasser aus zerstört. Auch die Farbgebung weicht vom Original ab. Foto: Peter Hahn
PETER HAHN
Es war ein Totschlagsargument: "Eine Sanierung der
alten Schleusenbrücke ist unwirtschaftlich." Hinter dieser Formulierung
verbirgt sich natürlich auch, dass eine Sanierung möglich gewesen wäre. Eine
neue Brücke aber war im Interesse vieler, die Bürgermeister von Kleinmachnow
und Stahnsdorf wollten sie, das Land Brandenburg sowieso.
Jetzt ist sie da, und jeder sieht, ob nun Gäste der
Stern- und Kreisschiffahrt, Stahnsdorfer oder neue und alte Kleinmachnower, das
aktuelle Bauwerk des Wasserstraßen-Neubauamtes Magdeburg kommt dem wahrhaftigen
Jahrhundertbauwerk Kleinmachnower Schleuse ins Gehege. Schuld ist, wie immer in
diesem überkommenen Beamtenstaat, natürlich keiner.
Zwischen Stahnsdorf und Kleinmachnow ging es von Anfang
an nicht darum, eine marode Brücke zu retten. Gewollt war der Neubau der
Schleusennordkammer im Rahmen von "Projekt 17 Deutsche Einheit".
Teltowkanal und Schleuse sollten für Großmotorgüterschiffe und Schubverbände
von 185 Meter Länge ausgebaut werden. Betrieben haben dieses Unternehmen die
brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck, der
einst für Umwelt zuständig war, weil in Märkisch-Oderland und Oder-Spree die
Landschaften auch blühen sollten.
Die "Südtrasse" sollte der Region Aufschwung bringen,
selbstredend auch dem Berliner Osthafen, vor allem aber sollten die
Schubverbände über Königs Wusterhausen und Eisenhüttenstadt bis nach Breslau
und in ferner Zukunft wohl auch noch in die Ukraine fahren. Dafür reichten aber
weder die lichte Durchfahrtshöhe noch die lichte Durchfahrtsbreite der alten
Schleusenbrücke aus.
Als der Berliner Senat vernommen
hatte, dass der prognostizierte Anteil der Binnenschifffahrt am Gütertransport
für das Jahr 2015 nicht 10, sondern nur klägliche 1,5 Millionen Tonnen betragen
würde, sah er deshalb im Februar 2001 "keine Notwendigkeit zum Ausbau des
Teltowkanals" und beschloss die Schließung des Osthafens. Wenig später
verzichtete der Bund "auf einen über die Wasserstraßenklasse IV
hinausgehenden Ausbau".
Da aber waren die Beamten des Wasserstraßen-Neubauamtes
längst über das Stadium ihrer "Beweissicherung" hinaus. Ihre
Ergebnisse über den "Zustand der vom Baubetrieb zu nutzenden Straßen und
Wege sowie weiterer Flächen und Objekte im Einwirkungsbereich der
Baumaßnahmen" waren in einer Niederschrift festgehalten:
1906 wurde die Brücke über der Süd und Mittelschleuse
fertig gestellt. 1940 wurde die Schleuse um die Nordkammer erweitert und die
bestehende Brücke mit einem Brückenfeld über die Nordkammer verlängert. Die
Gesamtlänge der alten Schleusenbrücke (von 1940) beträgt ca. 77, die lichte Durchfahrtshöhe
4,23 Meter über dem oberen Bemessungswasserstand. Die Brückenbreite differiert
zwischen 11 und 11,50 Meter. 1992 wurde die Fußgängerbrücke durch einen
Schiffsstoß beschädigt und danach gesperrt. Aufgrund eines Gutachtens zur
Tragfähigkeit der Straßenbrücke über die Süd- und Mittelkammer begrenzte man
1993 die zulässige Verkehrslast auf 2,8 Tonnen. Der Zustand verschlechterte
sich weiter. 1994 wurde sie auch für den Pkw-Verkehr gesperrt.
Während man 1906 noch erfuhr, dass der Charlottenburger
Baumeister Friedrich Lahrs den Entwurf geschaffen hatte, verbirgt sich dahinter
heute ein Amt. Lahrs hatte damals die Straßenbrücke sehr bewusst direkt an den
vom Unterhaupt überdachten Fußweg angesetzt. Nichts anderes haben die
Baumeister mit der Verlängerung im Jahr 1940 getan.
Für das Wasserstraßen-Neubauamt und
vor allem für das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege, genauer, Amt
für Recht und Bauaufsicht, Untere Denkmalschutzbehörde Belzig, das gleich in
mehrfacher Hinsicht versagt hat, war der behutsame Umgang offensichtlich
sekundär. Lapidar heißt es zum Einheitsprojekt 17, dass "die technischen
Komponenten der Anlage gegenüber dem heutigen naturnahen Zustand deutlich in
den Vordergrund treten. Aspekte des 'Naturerlebens' werden notwendigerweise
hinter der Betrachtung der technischen Bauwerke zurücktreten müssen". Nun
ist es so, dass das eine verhindert werden konnte, das andere aber, der Blick
auf das herausragende Industriedenkmal behindert wird.
Die neue Brücke, in deren Mitte man wohl zur Beruhigung
der aufgeregten Gemüter noch eine halbrunde Aussichtsplattform angebaut hat,
ist insgesamt an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten. Sie ist länger, breiter,
höher und wurde obendrein mit gehörigem Abstand zum Unterhaupt gebaut. Die
Folge ist nun, dass das Schleusengehöft vom Wasser und von den Uferwegen aus,
wenn nicht verdeckt, so doch empfindlich durchschnitten wird.
Da die Namen der Schuldigen nicht zu erfahren sind, muss
erklärt werden, dass der Bund Eigentümer der Bundeswasserstraßen ist. Betreuen läßt
er diese durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, zu der die Wasser- und
Schifffahrtsdirektionen Nord (Kiel), Nordwest (Aurich), West (Münster), Mitte
(Hannover), Ost (Magdeburg), Südwest (Mainz) und Süd (Würzburg) gehören, denen
Wasser- und Schifffahrtsämter (WSA), zuständig für Unterhaltung, Betrieb und
Sicherheit der Wasserwege, und Wasserstraßenneubauämter (WNA), zuständig für
Neubauten, unterstehen. Kurz, eine Behörde, in der jener das und der andere
jenes tut.
Jetzt, wo das Wasser- und Straßenamt Berlin nach einer
Expertise des "Kollegiums der Restauratoren Berlin" das
Kleinmachnower Schleusengehöft für die Jubiläumsfeier möglichst originalgetreu restaurieren
lässt, wird an einem Detail deutlich, wie oberflächlich das Neubauamt - zumal
mit Segen des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege - gearbeitet hat.
Die Restauratoren wiesen "die ursprüngliche
Farbigkeit der Stahlbauteile nach. Diese an der Oberfläche stark korrodierten
Bereiche wurden nur mit den ersten beiden Anstrichen mit gestrichen. Bei
späteren Überarbeitungen der Stahlbauteile wurden diese Bereiche nie mit
behandelt. So haben sich hier Reste von zwei im Farbton identischen Grünfassungen
erhalten. Beide Anstriche liegen auf einer Mennigegrundierung. Ähnlich verhält
es sich bei den Traggestellen der Seilscheiben bzw. Zahnräder. Als Erstfassung
der Stahlbauteile konnte ein Grünton nachgewiesen werden, welcher etwas
kräftiger und dunkler als die derzeitige Sichtfassung ist."
Zum Jubiläum des Jahrhundertbauwerks sind nun zwei Grüns
zu besichtigen: Das indiskutable Giftgrün von Wasserstraßenneubauamt Magdeburg
und Brandenburgischem Landesamt für Denkmalpflege an der Straßenbrücke und der
seriös ermittelte Farbton "Grün NCS S 6030-G30Y" des Wasser- und Straßenamtes
Berlin am Schleusengehöft. Wie gesagt: Der eine macht das und der andere jenes.
Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im
Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal
(Potsdam-Mittelmark)