Märkische Allgemeine Zeitung 06.02.01

Spaß haben und spielen, spielen
"Klartext" aus Kleinmachnow ohne Förderpreis, aber mit neuem Ehrgeiz

Dörthe Ziemer

BERLIN Eigentlich wollten sie nie wieder an einem Wettbewerb teilnehmen. Musik bewerten - das gehe nicht, sagen die Jungs der Hip-Hop-Band "Klartext" aus Kleinmachnow. Beim f6-Music-Award am Samstag, einem der größten Nachwuchswettbewerbe für die neuen Bundesländer, gingen sie wieder leer aus. Ihr Markenzeichen, eingängiger Hip-Hop mit Funk, Soul und Reggae vermischt und ohne das gängige Klischee vom aggressiven Rap, passt eben nicht in jede Schublade - und wohl auch zu Wettbewerben, auf denen Rockbands die Konkurrenz sind.

Alle sechs Finalteilnehmer vom Samstag sind Sieger der jeweiligen Ausscheide in den fünf neuen Bundesländern plus Berlin. Sie haben es geschafft, sich aus einer Bewerberzahl von knapp 600 Formationen auf die Bühne des Berliner Postbahnhofs zu spielen. Sieger des ausverkauften Finalkonzerts wurde schließlich die Berliner Band "Demo", gefolgt von "Polarkreis 18" aus Dresden und "Vanda" aus Dessau, die einzige Band mit einer Frau an der Spitze.

Gegen die anderen fünf Bands anzusingen und anzuspielen würde schwer werden. Das war den neun Kleinmachnower "Klartextern" schon beim Landesfinale bewusst. Denn dort fühlten sie sich als Außenseiter - und der Sieg kam völlig überraschend für sie. Ähnlich erging es ihnen vor anderthalb Jahren, als sie an dem internationalen Bandwettstreit "Emergenza" teilnahmen. Das brachte sie immerhin auf die Festival-Bühnen des "Berlinova" bei Luckau und des "Taubertal Open Air" in Rothenburg.

Doch "Emergenza" brachte ihnen auch die Erkenntnis: Gegen die Konkurrenz auf einem Wettbewerb für Rockbands gibt es kaum eine Chance. Obgleich sie gerade dort ihr Publikum haben. "Viele, die gern Rockmusik hören und Hip-Hop eigentlich doof finden, sagen uns, dass ihnen unsere Musik gerade gefällt", erklärt Gitarrist Michi. Die "echten" Rapper aber fänden die "Klartext"-Musik eher zu weich.

Der Hang zum Experiment entsteht bei "Klartext" ganz automatisch. "Wir sind neun Leute, da prallen Meinungen aufeinander", erklärt Sänger Bastai. "Wir gehen in den Probenraum und schauen, was passiert, da entsteht manchmal etwas, das wir selbst nicht erwartet haben", ergänzt Michi. Ähnlich war es auch mit der Entstehung der Band. Ursprünglich gab es nur die fünf Rapper, später kamen die Intrumentalisten hinzu, die nun der Band ihren speziellen, melodiös-sanften Sound geben. Nur Drums und Beats von der Platte zu holen, das reicht "Klartext" nicht aus.

Die Nische, in der die Band operiert, erlaubt es ihnen, viele Einflüsse zu vermischen. Da klingen zwischen den Raps jazzige Töne durch, da darf auch mal mit Country gespielt werden, da werden Balladen-artige Songs entworfen und mit Rap überzogen. Die Texte nimmt "Klartext" aus dem Leben, aus dem Kleinmachnower Leben, das nicht gekennzeichnet ist von den Konflikten der Großstadt-Ghettos. Gerade das ist es wohl auch, was die Texte so nachvollziehbar, so nahbar macht.

Ob Freitag, der 13., oder die Freundin, die fremd geht, - die Themen stammen direkt aus der Lebenswelt der Kleinmachnower. Die Rapper von "Klartext" singen über alles - am liebsten aber über ihren eigenen Namen, der Programm ist. "Das mit dem Hip-Hop ist für uns ne Glaubenssache"/ "Ich hab' noch so viel zu sagen"/"Ausm Bauch raus reden liegt in unserem Naturell/ Für alle offiziell: Wir bleiben individuell", singen sie. Ohne Merkblatt, heißt es in dem Song "Flashback", hätten sie ihre Texte schon im Mutterbauch entwickelt.

Das alles haben die neun Musiker am Samstag dem Publikum perfekt herübergebracht, haben mit ihm gespielt, gesungen und getobt. Dass es am Ende doch nicht gereicht hat, ist keine Niederlage für die Band. Bastai: "Der f6-Music-Award ist sehr professionell organisiert. Da bekommt man als Band eine Menge mit." Für alle Landesgewinner gab es bereits vor dem großen Finale ein Training durch die Jury, der viele Musiker, Produzenten und Musikmanager angehören, die unter anderem mit "Depeche Mode", Phillip Boa und "Rammstein" gearbeitet haben. "Die Jury hat uns gesagt, wie sie uns sehen", erzählt Bastai. "Was wir daraus machen, ist unsere Sache."

Alles umsetzen, was andere sagen, kommt dabei für die Neun nicht infrage. Mehr das Klischee des Hip-Hops zu erfüllen, dass wollen sie ja gerade nicht. Andere Klamotten anziehen, härtere Texte schreiben - dafür würden sie nicht einmal einen Plattenvertrag unterschreiben. Notfalls bleibt es so, wie es jetzt ist: die Musik als Nebenbei-Geschäft zu betreiben und für die CDs, die in Eigenregie aufgenommen und im Eigenvertrieb verkauft werden, Geld zu bezahlen.

Dass es trotzdem weitergeht, steht für "Klartext" außer Zweifel. Zumal sich auf Wettbewerben stets neue Kontakte ergeben. "Durch die Auftritte bei "Emergenza" konnten wir in vielen Berliner Clubs spielen", sagt Bastai. Auch der CD-Verkauf wird stets neu angekurbelt. 500 Platten sind schon weg. "Unser Ziel bleibt: tierisch Spaß zu haben und spielen, spielen, spielen", so Sänger Shu.