Märkische Allgemeine Zeitung 07.01.06
Grenzgewässer
gemäß § 28 Abs. 4
Tek km 34,14 bis 37,72: Wredebrücke - Grünauer
Brücke / "100 Jahre Teltowkanal" (Teil 12)
PETER
HAHN
Es dauerte lange, bis sich die Bundesrepublik Deutschland
und das Land Berlin schließlich in einem außergerichtlichen Vergleich darüber
verständigt hatten, dass die Probleme am Teltowkanal zwischen den Kilometern Tek
km 37,72 an der Grünauer Brücke und Tek km 34,14 an der Wredebrücke gemeinsame
Sache sind.
Seit 1906 verband die Wasserstraße von der Glienicker
Lake bis zur Grünauer Dahme als südliche Umfahrung Berlins die Elbe mit der
oberen Oder. Ganz nebenbei partizipierten seither das südliche Berlin und die
Mittelmark von der natürlichen Entwässerung.
Die vor allem auf Berliner Gebiet vor dem Zweiten
Weltkrieg entstandenen Industrie- und Gewerbegebiete spielten keine Rolle mehr,
da ein Teil schon nach dem Mauerbau und der Rest nach dem Wegfall der
Berlin-Förderung zum Erliegen gekommen war.
Auf der anderen Seite war nach der "Anordnung über
die Territorialgewässer der DDR" schon lange zuvor Ruhe eingekehrt, da
"die Durchführung wasserwirtschaftlicher und wassertechnischer Arbeiten im
Grenzgebiet nur mit Genehmigung des Kommandeurs des zuständigen Grenzregimentes
gestattet" war. "Grenzgewässer gemäß § 28 Abs. 4 ist der Teltowkanal
von 100 Meter oberhalb der Wredebrücke." Hier war Angeln, Fischen und
Baden untersagt und die Benutzung von Wasserfahrzeugen grundsätzlich verboten.
Mit der Errichtung der massiven Wassergrenzsperren nach
1961 und dem Einbau zusätzlicher engmaschiger Hindernisse gegen Fluchtversuche
an der Wredebrücke wurde der Schiffsverkehr unterbrochen und der bereits vor
1906 vom Baumeister Christian Havestadt kalkulierte Wasseraustausch
eingeschränkt.
So konnten sich in diesem Kanalabschnitt fast dreißig
Jahre lang mit dem Abwasser des "VEB Berlin-Chemie" große Mengen mit
belastetem Nassschlamm absetzen. Die gemessenen Werte von
Mineralölkohlenwasserstoffen, Schwermetallen und dem Pflanzengift DDT waren eine
Gefahr für das nahe Wasserwerk in Johannisthal.
Berlin musste handeln. Das Abgeordnetenhaus beschloss daher im Juni 1992 die
Sanierung und Wiederinstandsetzung des Teltowkanals. Gleichzeitig sollten die
Grenzsperren beseitigt und die durchgängige Schiffbarkeit des Wasserweges
wieder hergestellt werden.
Da der Kanal eine Bundeswasserstraße ist, ging das Land davon aus, dass der
Bund dafür die Kosten übernehmen muss. Das dem Verkehrsministerium unterstellte
Wasser- und Schifffahrtsamt lehnte ab, da die Teilstrecke einst für die
Schifffahrt entwidmet worden war.
Da das Amt wohl ahnte, dass die Entschlammung des Teltowkanals einen
ungeheueren finanziellen Aufwand bedeuten würde, wurde dieses Vorhaben als eine
wasserwirtschaftliche Angelegenheit des Landes Berlin abgetan.
Nach langem Hin und Her, begleitet von Ausschreibungen, Genehmigungsverfahren,
Munitionssuche und einer in Aussicht stehenden Finanzierung, konnten die
eigentlichen Arbeiten Mitte 1995 beginnen. Der Bund gab fünf Millionen DM für
die Entschlammung und über die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte
Sonderaufgaben zusätzlich 14,1 Millionen DM, da der nun von der Treuhand
betreute "VEB Berlin-Chemie" inzwischen als Verursacher der
Kontamination ermittelt worden war. Dem Land Berlin blieb ein Kostenanteil von
17,1 Millionen DM.
Als Ende 1999 schließlich die Entschlammung abgeschlossen war, Rückbau und
Wiederherstellung des Geländes aber noch anstanden, wurde deutlich, dass am
östlichen Teltowkanal eine der finanziell und organisatorisch aufwendigsten
Wasserbaumaßnahmen mit 36,2 Millionen DM Gesamtkosten vollbracht war.
In den fünf Jahren zuvor wurden dem Kanalgrund mit Saugbaggern rund 150 000
Kubikmeter Nassschlamm entnommen. Dieser musste vom Arbeitsboot aus über
Rohrleitungen zu der am Ufer errichteten Entsorgungsanlage gepumpt und behandelt
werden. Übrig blieben insgesamt rund 80 000 Kubikmeter abgepresstes Material
mit einem hohen Kontaminationsgrad.
Die Zeiten, da "die Ein-, Aus- und Durchfahrt von Wasserfahrzeugen in, aus
und durch die Grenzgewässer grundsätzlich nur an der Zeit von Sonnenaufgang bis
eine Stunde vor Sonnenuntergang, die Bewegung von Wasserfahrzeugen in den Häfen
der Grenzgewässer nur in der Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
gestattet" war, gehören der Vergangenheit an.
Seit dem 1. April 2000 ist der Teltowkanal nun wieder durchgängig von der
Grünauer Regattastrecke bis zur Glienicker Lake für die Schifffahrt
freigegeben.
Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im Internet unter
www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal
(Potsdam-Mittelmark)