Märkische Allgemeine Zeitung 01.11.05

Erinnern fällt hier wie dort schwer
Neues Buch über KZ-Frauen vorgestellt

THOMAS VIEWEG

KLEINMACHNOW "Ich wollte, dass das alles aus meinem Gedächtnis verschwindet. Aber es lässt sich nicht vergessen, es kehrt immer wieder zurück." Was die Polin Jadwiga Sawicka bis heute zu verdrängen versucht, ist ihre Zeit in Deutschland, in Kleinmachnow von 1944 bis 1945. Damals existierte am Rand der Gemeinde die Dreilinden-Maschinenbau GmbH (DLMG), ein Tochterunternehmen des Robert-Bosch-Konzerns.

Während die 84-jährige Polin bis heute Alpträume wegen der Zeit in der Fabrik plagen, ist die Existenz der DLMG, die sich am heutigen Stahnsdorfer Damm 81 befand, aus dem Bewusstsein vieler Kleinmachnower verschwunden. Dabei besaß das Werk im Dritten Reich enorme Wichtigkeit: Fast jeder Anlasser in einem Flugzeug der deutschen Luftwaffe kam aus Kleinmachnow. Rund 5000 Menschen arbeiteten 1945 in der kriegswichtigen Firma. Über die Hälfte davon tat dies nicht freiwillig: Mehr als 2500 Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und ab 1944 auch 750 KZ-Insassinnen wie Sawicka wurden im Werk zur Arbeit gezwungen. Repressalien, Hunger und Gewalt bestimmten ihren Tagesablauf.

Um die Erinnerung an die Schicksale dieser Menschen wach zu halten, haben die Berliner Historikerin Angela Martin und die Polin Ewa Czerwiakowski nun ein Buch herausgebracht, das beide am Sonntag im ehemaligen Bürgermeisteramt vorstellten. "Muster des Erinnerns" ist der Titel einer zweiten Publikation, in deren Mittelpunkt die Erlebnisberichte von 33 polnischen Überlebenden wie Sawicka stehen.

Daneben schildern Martin, Czerwiakowski und Rudolf Mach, Vorsitzender des Heimatvereins, in drei Essays, wie sie sich auf die steinige Suche nach der Historie der DLMG begaben, denn auch hierzulande falle das Erinnern an die Nazi-Geschichte schwer. "Das Bosch-Archiv ist an der Vergangenheit des Konzerns unter Hitler wenig interessiert", sagte Martin.

Aber auch in Kleinmachnow sei die Auseinandersetzung schwierig. Bis heute haben sich die Gemeindevertreter auf keinen Text für ein Mahnmal einigen können, merkte Mach an. In seinem Essay betont er, dass die Vergangenheitsbewältigung erst begonnen habe: "Kleinmachnow, das lange ein Ort ohne Gedächtnis zu sein schien, beginnt sich zu erinnern."

Ewa Czerwiakowski, Angela Martin (Hrsg.): Muster des Erinnerns, Polnische Frauen als KZ-Häftlinge in einer Tarnfabrik von Bosch, Metropol Verlag Berlin, 2005.