Märkische Allgemeine Zeitung 14.05.05

Das müssen Schüler sehen
Bildungstempel Industriemuseum: Geschichte hilft, optimistisch zu denken

MATTHIAS ANKE

KLEINMACHNOW Im Unterricht ist's langweilig? Keine Vorstellung von Transistoren, Halbleitern oder Schaltkreisen? Ach so, Playstation-Gehäuse sollte man ja der Garantie wegen nicht aufschrauben. Ohnehin wäre dazu eine Lupe nötig. Ein Kofferradio würde da schon mehr von sich zeigen. Was ist denn ein Kofferradio? Gibt's doch gar nicht! Doch, und wer ein Industriemuseum vor seiner Türe hat, wie es dieses jetzt bald auch für die Teltower Region gibt, der bräuchte solche Fragen nicht zu stellen.

Schon jetzt wird auf rund 600 Quadratmetern in Kleinmachnows einstigem Verwaltungsgebäude 100 Jahre Technikentwicklung aufgezeigt. Anhand der Betriebe, die seit 1904 - als die erste Teltower Porzellanfabrik entstand - in die Region kamen und von dort auch wieder gingen, wird Geschichte greifbar lebendig gemacht. Dass das jetzt innerhalb von nur zwei Jahren geklappt hat, ist ursprünglich einem kleinen Kreis älterer Herren zu verdanken und den ihnen folgenden bis heute weit mehr als 80 Mitwirkenden am Industriemuseum.

Der Verein dazu gründete sich erst im vergangenen März. Schon Wochen vorher hatte man als Förderkreis die Ausstellung zur Industriegeschichte eröffnet. "Seit Februar zählen wir 1600 Besucher", sagt Lothar Starke, Vorsitzender des Industriemuseum-Vereins. Viele Schulklassen und Gruppen seien darunter - so soll es auch sein. "Wir wollen unseren Nachkommen die Geschichte verstehen lassen, sie weitergeben und sie optimistisch denken lassen", sagt Starke.

Zeugnisse einer Wirtschaftsregion

Vor wenigen Tagen erst wurde der Verein ins Register eingetragen und als gemeinnützig anerkannt - zu recht. Ein Museum wie dieses ist mehr als nur eine Ansammlung von Überbleibseln, Spolien, Bruchstücken. Es zeigt ein Bild von drei Orten, die miteinander eine starke Wirtschaftsregion bilden, und zwar schon seit vielen Jahrzehnten. Dieses Bild soll besonders jüngeren Menschen beweisen, dass es nach wirtschaftlichen Tiefschlägen immer auch eine Zukunft gibt. "Sie sollen sich mit ihrer Heimat identifizieren können, anstatt sie leichtfertig zu verlassen", sagt Starke. Das betreffe andererseits auch Neubürger, die es nach der Wende in die Region zog.

Viele, die am Museum bisher mitwirkten, waren selbst einmal in einem der vorgestellten Betriebe tätig. Die drei größten davon kennen Jugendliche heute kaum noch: die Geräte- und Reglerwerke Teltow, die Mikroelektronik Stahnsdorf und das Carl-von-Ossietzky-Werk Teltow. Was im Museum von deren Produkten zu sehen ist, haben "Menschen mit offenen Augen nach der Wende in ihren Kellern bewahrt", freut sich Vereinsgründer Helmut Kappelhoff heute.

Was Kappelhoff und die anderen in den Betrieben vor Jahrzehnten herstellten, betrachten Schüler oftmals nur verwundert oder sogar mit Gelächter, hat Kappelhoff bemerkt. Dass sie ohne die weltweite Entwicklung einiger ähnlicher Bauteile heute aber weder ein Handy in der Tasche noch einen Fernseher zu Hause hätten, wüssten sie leider nicht.

Das Museum will deshalb auf jeden Fall attraktiver werden. Einen Vortragsraum gibt es. Doch Schüler verlangen nunmehr interaktive Spielereien, anschaulichere Darbietungen. Die Elektroniker wissen, dass man Kristallisierungsprozesse auch über einen Computer auf einem Display atemberaubend inszenieren kann. Doch das ist nicht billig. Vorerst freut sich der Verein zwar auf beachtliche finanzielle Zuwendungen aus Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow - insgesamt 35 000 Euro. Dafür soll aber in erster Linie neben den bisherigen sechs Ein-Euro-Kräften ein "Koordinator" als Ansprechpartner vor Ort angestellt werden. Kleinmachnow vergibt zudem bereits die Räume kostenlos, solange bis eine neue Bleibe gefunden ist. Denn das Gelände im Meiereifeld ist mit Rückübertragungsansprüchen belastet. Bürgermeister Wolfgang Blasig sieht eine Chance in der Freibad-Umgebung. Etwa 1200 Quadratmeter benötigt der Verein für das Museum.

Um darin junge Sichtweisen einzubringen, sind schon jetzt zwei Schulklassen an Projekten beteiligt. Sie erleben Mathe, Physik und Chemie auf einem Mal. "Hier gibt und gab es eben nicht immer nur Kiefern, Sand und Arbeitslosigkeit", unterstreicht Kappelhoff und denkt bereits an die nächsten einzurichtenden Räume.

Betriebe stellen sich vor

So wird sich die Mittelmärkische Wasser und Abwasser GmbH - sogar Vereinsmitglied - im Museum mit ihren Aufgaben in der Region vorstellen. Und Teltomat bekommt bis Jahresende eine Abteilung. Weiter geht's also in dem Museum, das eine Zukunft vorerst auch ohne sichere Bleibe hat. Die Lehrer und deren Schüler, die sie jetzt dorthin führen werden, wollen etwas sehen.