Märkische Allgemeine Zeitung 30.11.2004

Idylle contra Waldverwüster
Das Buch "südwestlich siedeln" wird heute in Kleinmachnow präsentiert

JÜRGEN STICH

KLEINMACHNOW "Wer aus der trostlosen und nervenzerreißenden Steinwüste der Großstadt sich in dieses Waldidyll versetzt sieht, wird freudig aufatmen und seine Phantasie beflügelt fühlen in dem ausgesprochen altritterlichen Millieu." So beschrieb der Berliner Architekturkritiker Max Rapsilber das Kleinmachnow des Jahres 1903, als die Zehlendorf-Kleinmachnower Terrain-Aktiengesellschaft die "Villenkolonie" auf dem Gutsgelände der Familie von Hake plante. Doch bereits wenige Jahre später ist 1910 in einem Aufsatz von den "Waldverwüstern in der Nähe des bisher so idyllischen Kleinmachnow" die Rede.

Schon allein wegen solcher Einsichten in die frühe Entwicklung des Ortes zwischen Berlin und Teltowkanal lohnt sich die Anschaffung des Buches "südwestlich siedeln - Kleinmachnow bei Berlin. Von der Villenkolonie zur Bürgerhaussiedlung", das jüngst im Lukas Verlag erschien.

In beeindruckender Weise haben die beiden Autorinnen Nicola Bröcker und Celina Kress auf 183 reich bebilderten Seiten die entscheidende Besiedlungsphase des "neuen" Kleinmachnow in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachgezeichnet.

"Idylle" oder "Waldverwüstung" - was damals bereits kontrovers gesehen wurde, bestimmt heute wieder die Diskussion. Weil Kleinmachnow seit der Wende von 1989 erneut "besiedelt" wird - man denke nur an das just entstehende Wohngebiet zwischen Stolper Weg und Stahnsdorfer Damm -, ist die Geschichte des Berliner "Vorortes" für die neu Zuziehenden und die Alteingesessenen so lehrreich.

Schwerpunkte im Buch sind die Villenkolonie mit einer in dieser Vollständigkeit noch nicht vorgelegten Beschreibung sämtlicher Häuser des Areals sowie die Bürgerhaussiedlung, die eng mit dem Namen des jüdischen Bauunternehmers Adolf Sommerfeld verbunden ist.

Dabei wird deutlich, dass die stückweise Bebauung des nördlich des 1906 eröffneten Teltowkanals gelegenen Gutslandes in Kleinmachnow sich einfügt in den allgemeinen Drang der Berliner Bevölkerung, sich an den Stadträndern den Traum vom Landhäuschen zu verwirklichen. Allerdings blieb die verkehrliche Anbindung an die Hauptstadt buchstäblich auf der Strecke. Weder der Anschluss an die U-Bahn, noch eine anvisierte Straßenbahn auf dem heutigen Zehlendorfer Damm wurden realisiert. Dieses Manko bereitet der Gemeinde bis heute Kopfzerbrechen.

Das Buch wird heute 19.30 Uhr im Kultur- und Kunstverein Kleinmachnow, Zehlendorfer Damm 45-47, vorgestellt: "südwestlich siedeln" ist erschienen im Berliner Lukas Verlag und kostet 24,90 Euro. ISBN 3-936872-30-9.