AUF EINEN BLICK
Märkische Allgemeine Zeitung 21.05.2004

 

SEBASTIAN CLAUS KÄMPFT FÜR DIE REALSCHULE UND EIN REGIONALES JUGENDBÜRO
Kanzler nur von hinten gesehen

 

 

JÜRGEN STICH


REGION TELTOW Mit der drohenden Schließung der Teltower Realschule fing alles an. Sebastian Claus, Schüler der neunten Klasse, organisierte eine Demonstration für den Erhalt der Schule und brachte
jüngst auf Anhieb mehrere hundert Jugendliche auf die Straße. In Potsdam zogen sie vom Kepplerplatz vor das Bildungsministerium.

Dort bekamen die jungen Protestler die üblichen Ausreden zu hören: zu wenig Neuanmeldungen für das kommende Schuljahr; zwei Klassen kommen nicht zu Stande; Ausnahmegenehmigung nicht möglich, weil das Schulgesetz so etwas nicht vorsieht. Sebastian fasst sich an den Kopf. "Das wissen wir alles schon, aber wir wissen auch, dass das Geburten-Tal in unserer Region in spätestens zwei Jahren durchschritten ist." Wenn die Realschule aber erst einmal geschlossen ist - das sagen auch Lokalpolitiker vor Ort - wird sie nicht wieder eröffnet.

Eine bittere Lehre in Sachen Politik erhielt Sebastian dann vor wenigen Tagen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich in Teltow angesagt. "Wir haben eine Kundgebung angemeldet und wollten Schröder eine Resolution übergeben." Doch aus dem Treffen mit dem Kanzler wurde nichts. Den mächtigen Mann aus Berlin sahen die jungen Leute, die erneut für ihre Realschule auf die Straße gegangen waren, nur von fern. Der Durchlass wurde ihnen nicht gewährt.

Als die Limousinen abgerauscht waren, machte sich auch bei Sebastian Enttäuschung breit. Klein beigeben will er trotzdem nicht. Mit dem versierten Jungpolitiker Sebastian Singer, Gemeindevertreter im benachbarten Kleinmachnow, plant er jetzt ein regionales "Kinder- und Jugendbüro". Im Juli soll es eröffnet werden, ein Raum wird noch gesucht. Es könnte Anlaufstelle für diejenigen sein, die keine Lobby im Spiel der politischen Kräfte haben, aber immer gern als "unsere Zukunft" bezeichnet werden - wenn's gerade mal passt.

Beide Sebastians bringen etwas ein. Sebastian Claus, der in Begrholz-Rehbrücke wohnt, bastelt mit seinen Mitstreitern Jessica (13), Christian (14) und Daniel (15) an einer "Servicestelle Jugendbeteiligung". Die Idee stammt aus Berlin, wo es bereits mehrere dieser Stellen gibt. Der 21-jährige Sebastian Singer reaktiviert den Verein "Echo 91" und schafft damit ein gemeinnütziges Fundament.

"Wir wollen die Interessen von Kindern und Jugendlichen artikulieren, durchsetzen und bei Konflikten vermitteln", sagen beide. Aktuelles Beispiel neben dem Kampf um die Realschule: Weil es in der Region an Treffpunkten mangelt und die Jugendklubs bereits um 21 Uhr schließen, versammelt sich ein Teil des Nachwuchses jeden Abend am Schnittpunkt von Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow.

Dort ist ein Bolzplatz idealer Rückzugsort. Er hat nur einen Nachteil: Das Wohngebiet "Stolper Weg" liegt direkt daneben. Streit mit den überwiegend älteren Anwohnern ist programmiert und hat auch schon statt gefunden. Hört man auf die Erwachsenen, dann ist der Bolzplatz ein Hort von Drogen und Gewalt. "Umbaumaßnahmen" sollen Abhilfe schaffen, mit verstärkter "Polizeipräsenz" wird unverhohlen gedroht.

"Dass die Anwohner ruhig schlafen wollen, ist auch den Jugendlichen klar. Aber wo sollen sie denn sonst hingehen?" Das Jugendbüro will in solchen Fällen helfen, zu Lösungen zu kommen, die beide Seiten befriedigen. Ähnlich ist der Fall im neuen Kleinmachnower Ortszentrum gelagert. Dort wäre eine Abstimmungsrunde zwischen Mietern und den jungen Skatern dringend angeraten, denn die Lage droht zu eskalieren.

Seminare und Weiterbildungen für Schülersprecher sollen im Jugendbüro ebenfalls abgehalten werden. An die Herausgabe einer Zeitschrift ist gedacht. Für dieses Projekt stünde sogar Geld zur Verfügung. Auch die Stiftung Demokratische Jugend und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung unterstützen Aktionen der "Jugendbeteiligung".

Was den beiden Sebastians zum Start noch fehlt, ist ein Büro in der Teltower Region. Gespräche mit der Stadt liefen "schleppend", jetzt wird nach Alternativen gesucht. Auch bei den anderen beiden Kommunen soll für die Einrichtung der Servicestelle geworben werden. Mehr als der Bundeskanzler, so hoffen die jungen Leute, müssen die Politiker vor Ort ein offenes Ohr für ihre Belange haben.